Zitrusfrüchte im eigenen Garten - die Bitterzitrone

Monika Gehlsen am 6. November 2011 vor einem Strauch der Bitterzitrone (Poncirus trifoliata)

Aufmerksame Leser werden es gleich gemerkt haben: Monika Gehlsen steht hier nicht am Mittelmeer vor einem Zitrusbäumchen, sondern im deutschen Herbst vor einer Pflanze, die nicht nur äußerlich ganz ähnlich ist. Die Dreiblättrige Orange (Poncirus trifoliata), auch Chinesische Bitterorange oder Bitterzitrone genannt, ist in Deutschland nicht unbekannt. Man findet viele Beiträge darüber im Internet, die aber in den meisten Fällen den Vorzügen dieser Pflanze nicht ganz gerecht werden.

Poncirus ist ein außergewöhnlicher Zierstrauch, der im Spätfrühling noch vor den Blättern duftende weiße Blüten hervorbringt. Sie sind mit 3-4 cm deutlich größer als bei Orangen oder Zitronen, aber weniger intensiv im Duft. Offenbar sind sie dennoch für Insekten attraktiv und können so eine wertvolle Bienenweide liefern. Anders als bei den bekannten Zitruspflanzen werden die Blätter im Herbst abgeworfen. Danach sorgen die flachen, grün bleibenden und mit enorm langen Dornen versehenen Sprosse für den Zierwert.

In der Regel werden große Mengen kugelrunder, etwa 4-5 cm großer gelber Früchte angesetzt, die im Oktober zur Reife gelangen. Zu dieser Zeit bieten die Sträucher einen märchenhaften Anblick. Leider beginnen die Früchte bereits im November abzufallen. Sie sind genauso aufgebaut wie echte Zitrusfrüchte, haben aber sehr viele Kerne. Bei Berührung (bzw. kräftigem Anfassen) strömen sie, wie auch die übrigen Teile der Pflanze, ein kräftiges Zitrusaroma aus, und man fragt sich unwillkürlich, was man wohl in der Küche damit anfangen kann.

An dieser Stelle scheiden sich die Geister. Wir haben keinen deutschsprachigen Internetbeitrag über Poncirus gefunden, in dem die Früchte nicht als bitter und ungenießbar bezeichnet wurden. In englischen Texten aber heißt es: Sie sind bitter, aber man kann Marmelade daraus machen. Auch echtes englisches "Orangen-Jam", das aus Pomeranzen hergestellt wird, ist ja ziemlich bitter. Es scheint, dass in Deutschland diese Geschmacksnote nur beim Bier beliebt ist.

Wegen der vielen Kerne ist die Fruchtsaftgewinnung mühsam, und die Ausbeute ist gering. Wer es dennoch probiert, wird feststellen, dass der Saft zwar sauer, aber nicht bitter ist und praktisch wie Zitronensaft schmeckt. Deshalb und auch wegen der Verwechslungsgefahr mit der echten Bitterorange (Pomeranze, Citrus aurantium) finden wir, "Bitterzitrone" ist der beste deutsche Name. Wir haben diesjahr zum ersten Mal aus Poncirus-Früchten Marmelade ("Bitterzitronen-Jam") gekocht, und es war für uns ein voller Erfolg.

Für die Entfernung der Kerne werden die Früchte am besten längs geviertelt. Danach wird alles in 3-4 mm breite Streifen geschnitten und mit wenig Wasser zum Kochen angesetzt. Wenn die Fruchtteile - je nach Geschmack - weich genug sind, wird etwa die gleiche Menge Gelierzucker untergerührt, und das Bitterzitronen-Jam ist fertig. Im allgemeinen mögen wir Marmelade nicht so süß, aber hier ergibt sich eine perfekte Harmonie von Zitrusaroma, Bitterkeit und Süße.

In der fernöstlichen Heimat der Pflanze werden die Früchte traditionell zur Behandlung allergischer Entzündungen angewandt. Die Inhaltsstoffe Neohesperidin und Poncirin sind gegen Gastritis wirksam. In neueren Untersuchungen wurden neben entzündungshemmenden und anti-allergischen Eigenschaften auch virus- und tumorhemmende Aktivitäten der Fruchtextrakte nachgewiesen. Auch wird der Pflanze ein Potential zur Verhütung von Degenerationen des Nervensystems bescheinigt. Und schließlich: In vergleichenden Versuchen an Ratten haben wässrige Extrakte die Gewichtszunahme vermindert. Wenn das alles stimmt, wäre Poncirus eine wahre Wundermedizin. Auch das sollte ein Grund sein, sich kulinarisch damit anzufreunden. Medizin muss schließlich bitter sein!

Die Bitterzitrone stammt aus dem nördlichen bis mittleren China. Die Winterhärte der Pflanzen ist entsprechend der Herkunft unterschiedlich. Wir haben Anfang der 1990-er Jahre 3 kleine Sämlinge in Tschechien gekauft und gleich ins Freiland gepflanzt. Nr. 1 ist den kalten Wintern der folgenden Jahre zum Opfer gefallen. Die zweite Pflanze haben wir verloren, als in der Dreikönigsnacht 2009 bei uns 30 Grad Kälte herrschten (unser Garten war damals das "Frostloch" ganz Deutschlands). Nr. 3 aber zeigte sich unbeeindruckt und hat inzwischen über 2,50 m Breite und Höhe erreicht. Wir denken, dass unsere Pflanze diese Frosthärte auf ihre Nachkommen überträgt.

Poncirus-Sträucher lassen sich leicht aus den großen Samen heranziehen. Die Aussaat kann im Frühjahr ins Freie erfolgen - kleinere Mengen in einen Topf, der in ein Gartenbeet eingesenkt wird, größere Mengen am besten in Reihen. Es scheint, dass der Keimungsprozess durch eine Periode kühler Temperaturen begünstigt wird (was für eine möglichst zeitige Aussaat spricht). Falls die Keimung im ersten Jahr zu wünschen übrig lässt, sollte man nicht die Geduld verlieren. Die restlichen Sämlinge erscheinen in der Regel im folgenden Frühjahr.

Im ersten und zweiten Winter sollten die Aussaaten bzw. die Saatbeete mit etwas Koniferenreisig geschützt werden. Wer die Aussaat in einem Topf hat, kann sie auch an einem kühlen Ort im Haus überwintern. Unsere Portionen sind diesjahr sehr reichlich bemessen, so dass Sie sich damit eine richtige Dornröschenhecke anlegen können - und da kommt so leicht keiner durch!

Sie finden Samen der Bitterzitrone unter unserer Katalog-Nummer 4760.

 

Bitterzitronen kurz vor der Verarbeitung

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