Eine Herzensangelegenheit - die Möhre Oxheart

Monika Gehlsen mit einer Möhre der Sorte Oxheart am 19. Oktober 2009

Die abgebildete Möhre mag ungefähr so groß sein wie ein menschliches Herz. Sie ist 15 cm lang, 10 cm dick und wiegt knapp 1 kg. Mehr ist bei dieser Sorte normalerweise nicht drin. Wir haben noch nicht ausprobiert, ob sich durch besondere Kulturmaßnahmen noch größere Exemplare und vielleicht neue Rekorde erzielen lassen.

Die Bezeichnung "Oxheart" (= "Ochsenherz") scheint deshalb übertrieben zu sein. Es ist nicht so selten, dass Gärtner vor Begeisterung über ihre Pflanzen bei der Namenswahl ein wenig übers Ziel hinausschießen. Bei einer Tomatensorte (bzw. Sortengruppe) gleichen Namens sind die Früchte jedenfalls auch nicht größer. "Schweineherz" wäre in beiden Fällen wohl näher an der Realität, wurde aber unseres Wissens noch niemals gewählt (was im Grunde eine Diskriminierung dieser klugen und nützlichen Tiere darstellt).

Es scheint, dass unsere Möhrensorte im 19. Jahrhundert in der Nähe der westfranzösischen Ortschaft Guérande entstanden ist. Jedenfalls wurde sie unter diesem Namen im Jahre 1884 in Frankreich in den Handel gebracht. Vielleicht ist sie bald darauf in die Vereinigten Staaten von Amerika gelangt. In Europa scheint der Sorte keine dauerhafte weite Verbreitung beschieden gewesen zu sein. In dem Standardwerk von Becker-Dillingen (1. Auflage 1924, 5. Auflage 1950) wird sie zwar erwähnt und einmal abgebildet, aber nicht im Sortenteil beschrieben.

So gilt die Möhre "Guérande" heute in Deutschland als "wiederentdeckte alte Sorte". Den Namen "Oxheart" hat sie wahrscheinlich in Amerika bekommen. Jedenfalls haben wir sie unter dieser Bezeichnung Anfang des Jahrtausends aus den USA bezogen und in unser Sortiment aufgenommen. Es ist nicht (mehr) gestattet, Sortennamen aus anderen Sprachen ins Deutsche zu übersetzen. Man darf deshalb wohl Ochsenherz-Möhre sagen, aber nicht Möhre "Ochsenherz".

Angesichts ihrer vielen guten Eigenschaften mutet der jahrzehntelange "Dornröschenschlaf" dieser Sorte erstaunlich an. Vielleicht widerspricht sie mit ihren kurzen, dicken Rüben einfach zu sehr der herkömmlichen Vorstellung davon, wie eine Möhre auszusehen hat. Vielleicht hat sie auch nicht die Robustheit, die von einem Gemüse, das den Strapazen des internationalen Handels gewachsen sein soll, verlangt wird.

Beide möglichen "Nachteile" stellen sich für Selbstversorger als Vorteile dar: Kleingärtner können sich ihren Gartenboden zumeist nicht aussuchen. Weil die Ochsenherz-Möhre nicht tief in die Erde dringt, kann sie auch auf sehr schweren Böden problemlos angebaut werden. Und zu zartfleischig kann ein Gemüse für Selbstversorger - anders als für den Handel - wohl kaum sein. Alle, die diese Möhre bei uns gekostet haben, fanden sie aromatischer, süßer und saftiger als alle anderen, die sie bis dahin kannten.

Doch damit nicht genug: Im Rahmen einer dreijährigen Studie des Kasseler Instituts für Agrarkultur und Heilkunst "Persephoneia" zeigte die Behandlung mit dieser Möhrensorte Erfolge bei der Bekämpfung von Migräne, Kopfschmerzen, Bauchschmerzen und Stoffwechselstörungen. Auch wenn jemand daran nicht so recht glauben möchte: Der Gesundheitswert, den Möhren generell haben, ist sicherlich über jeden Zweifel erhaben.

"Oxheart" ist eine mittelspäte Sorte, die sich bei kühler Lagerung gut hält. Bei ihrem Anbau ist eigentlich nur zu beachten, dass nicht zu dicht gesät wird, damit genügend Platz für die Entwicklung der dicken Rüben zur Verfügung steht. Eine zeitige Aussaat vor Mitte April macht nur Sinn, wenn besonders früh geerntet werden soll. Wer dennoch zu dicht gesät hat, sollte im Lauf des Sommers ausdünnen und kann die überzähligen Möhrchen als willkommene Leckerbissen genießen.

Sie finden Samen der Ochsenherz-Möhre unter unserer Katalog-Nummer 1535.

 

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